Pläne sind KEINE Ziele
von Tom Hess
Jeder von euch, der irgendeinen meiner Artikel zum Thema Gitarrespielen lernen/unterrichten gelesen hat, weiß, dass ich in meinem Unterricht sehr zielorientiert bin. Bevor ich zu unterrichten oder trainieren anfange (ja, es gibt Unterschiede zwischen beidem), fange ich stets damit an, den Schüler zu fragen, was seine oder ihre musikalischen Ziele sind (beides, kurz- und langfristig). Die meisten dieser Schüler haben keine wirklichen Ziele (oder zumindest sind sie nicht fähig, sie mir mitzuteilen). Deshalb hatten sie oft nur geringe Erfolge bei der Arbeit mit ihren vorherigen Lehrern, und gewöhnlich noch weniger, wenn sie versucht haben, es sich selbst beizubringen. Es ist einfach, fast jeden Schüler dazu zu bringen, meine Frage „Was sind deine kurz- und langfristigen musikalischen Ziele?“ zu beantworten, das Problem ist jedoch, dass sie Pläne mit Zielen verwechseln. In ihrem Kopf sind diese zwei Dinge austauschbar und haben die gleiche Bedeutung.
Ein Plan ist: „etwas, das man tut, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen“, „etwas, das man tun wird, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen“, oder zumindest „etwas, das man vorhat, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen“.
Ein Ziel ist: „etwas, das man erreichen will“, „etwas, das man vollenden will“ oder „etwas, das man bekommen will“.
Zunächst einmal scheint es, dass diese Dinge (Pläne und Ziele) im Wesentlichen dasselbe sind, aber die Nuancen der zwei Bedeutungen sind wirklich sehr verschieden. Mit einfachen Worten: Ziele sind das „Was“, Pläne das „Wie“.
Hier einige typische Antworten, die ich von neuen Schülern bekomme, wenn ich sie zu ihren Zielen befrage:
- Ich will viel Musiktheorie lernen.
- Ich will auf ein Musik-College oder ein Konservatorium gehen.
- Ich will in eine andere Stadt/ein anderes Land gehen, wo sich mehr Möglichkeiten bieten.
- Ich will schnell spielen.
- Ich will auf der Bühne spielen.
-
Ich will mehr über die Gitarre lernen.
Meine Antwort auf diese Art von Antworten ist meist: warum? Weshalb willst du das? Ich kann dir diese Dinge heute geben, was wirst du danach tun? Etwas von dem in der oben aufgeführten Liste zu wollen, ist in Ordnung, aber diese Dinge sind nur Werkzeuge (oder potenzielle Mittel), was wirst du also damit machen, wenn du sie bekommst?
Ich mag es, Leuten diese Analogie zu bieten: Nehmen wir an, dass du und ich (ein paar Musiker) zusammen ein Geschäft als Hausbauer, Mechaniker oder generell als Handwerker aufziehen wollen. Wir würden unsere Ersparnisse investieren und vielleicht einen Kredit bei einer Bank aufnehmen, um zusätzlich Geld zu bekommen, um alle Werkzeuge zu kaufen, die wir brauchen (plus einen LKW, die Miete für ein kleines Büro, Zahlungen für Werbung, Versicherungen, etc.). Nun hätten wir Hunderte Werkzeuge, also sollten wir im Geschäft sein, stimmt’s? Falsch! Wir (nehmen wir an, beide) haben keine Ahnung, wie man überhaupt ein kleines Vogelhäuschen richtig baut, wie also sollten wir ein Haus bauen oder einen Ofen reparieren oder eine Küche umgestalten? Wie du siehst, stecken wir all unsere Mühe in die Anschaffung von Werkzeug oder anderer Dinge, die wir benötigen, aber wir haben nie etwas (Zeit oder Geld) ins Lernen investiert, wie man diese ganzen Werkzeuge benutzt. Du darfst nicht der Mechaniker sein, der alle verfügbaren Werkzeuge besitzt, aber mit ihnen nichts bauen (oder reparieren) kann.
Hier ein Auszug aus einer Email, die ich kürzlich von einem sehr talentierten Gitarristen aus Brasilien bekommen habe, der ernsthaft eine Karriere als Gitarrenvirtuose anstrebt: ....“Danke für ihre nette Antwort, Mr. Hess und Ihr Interesse bezüglich meiner Ziele und die Informationen über Ihre Stunden. Ich habe jetzt eine Antwort für Sie. Ich denke darüber nach, in Amerika in einer großen Stadt mit einem großen musikalischen Umfeld zu leben. Ich will die ganze Zeit mit anderen guten Spielern zusammen sein. Ich habe hier keine guten Möglichkeiten, Musiktheorie zu lernen und ich denke, es ist wichtig, dass mir dies in der Zukunft gelingt. Ich will in eine Musikschule gehen, sodass ich ein Zertifikat haben kann.“...
Meine Antwort an ihn: „Du sagst, deine Ziele sind es, Musik in einer Schule zu studieren und in einem „musikalischen Umfeld“ zu leben.“
„Diese Dinge sind Teil eines Plans, sie sind jedoch keine wirklichen Ziele. Wenn du in die USA kommst und hier auf ein College gehst, was willst du danach tun? Zur Schule gehen ist eine großartige Sache, aber es ist nicht mehr als ein partieller Plan. Es ist lediglich eine mittelfristige Strategie. Bevor du Zehntausende Dollar für die Schule ausgibst, frag dich selbst, was du gedenkst, 2, 5 oder 10 Jahre nach dem College zu tun. Die Antwort auf diese Frage ist dein Ziel! Mit Musik und unter Musikern zu leben, ist Teil eines Umfelds und ein Plan, aber ist es auch kein Ziel, stimmt’s? Du willst mehr vom Leben, als nur mit einer Horde Musiker zusammenzuleben, oder etwa nicht? Ich denke, du willst mehr als ein Stück Papier nach 4 Jahren harter Arbeit, richtig? Bestimme für dich selbst, was genau diese anderen (größeren Sehnsüchte) sind.“
„Erzähl mir, was deine (musikalischen) Träume sind. Wir sollten zusammen daran arbeiten, uns auf diese Ziele zu konzentrieren, nicht nur auf einen Umzug hierher oder auf das Finden einer Schule, die du neben den Stunden bei mir besuchst. Das ist immer der Punkt, an dem du starten solltest, BEVOR du auch nur irgendetwas planst. Lege dein Langzeitergebnis fest, dann kann ich dir mit Strategien helfen, um dort hin zu gelangen. Meiner Meinung nach wäre es ein Fehler, blind Pläne zu machen, ohne zu wissen, was dein Ziel ist. Denke darüber nach. Es ist deine Zukunft, über die wir hier sprechen. Sobald du Klarheit über deine Absichten erlangt hast, kann ich anfangen, dich zu unterrichten.“
Nach mehreren weiteren Emails hin und her konnten wir entdecken, was er wirklich von der Musik (und vom Leben wollte). Wie ihr sicher erraten könnt, war es das wirkliche Ziel meines brasilianischen Schülers (unter anderen), professioneller Musiker zu werden. Natürlich haben einige von euch vielleicht einfachere Ziele (was vollkommen in Ordnung ist). Was immer es ist, was du wirklich willst, du musst wissen, was es ist und warum du es willst. Nachdem du dir darüber im Klaren bist, bist du bereit (hoffentlich mit der Hilfe eines Lehrers, Trainers oder wenigstens eines Mentors), einen wirklich effektiven Plan aufzustellen.
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